Glutenfreies Mehl 06.01.2023
Analytische Charakterisierung und Verarbeitung von glutenfreien Mehlen im Labormaßstab

Ein Blick in die Supermarktregale macht es deutlich: Produkte wie Backwaren, Snacks, Fleisch, Fisch oder Süßigkeiten sind auch als alternative Produkte zu finden. Von laktosefrei über zuckerfrei und vegan bis glutenfrei ist die Vielfalt groß. So haben beispielsweise vegane Fleischersatzprodukte und glutenfreie Brote und Nudeln ihren Weg in die Regale gefunden. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Neben dem Wunsch nach Tierschutz und Umweltschutz in Form einer Reduzierung der CO₂-Treibhausgase, bevorzugen einige Verbraucher Alternativen aus geschmacklichen oder gesundheitlichen Gründen. So erhoffen sich die Verbraucher beispielsweise eine bessere Fitness oder andere ernährungsphysiologische Verbesserungen. Insbesondere bei der glutenfreien Ernährung können auch Glutenunverträglichkeit, Zöliakie oder Weizenallergie ausschlaggebend für diese Art der Ernährung sein. Im Zuge dieser Ernährungsentwicklung haben Hülsenfrüchte an Bedeutung gewonnen, sie sind glutenfrei und nachhaltig. Außerdem haben sie viele ernährungsphysiologische Vorteile und erhöhen den Proteingehalt in der Nahrung. Der Markt für Eiweiß aus Hülsenfrüchten wird daher in den nächsten sechs Jahren voraussichtlich stetig wachsen.
Bei der Herstellung von Produkten aus Hülsenfrüchten wie Linsen, Erbsen oder Bohnen ist die analytische Charakterisierung des Rohmaterials wichtig, um langfristig eine effiziente Produktentwicklung zu ermöglichen: „Derzeit gibt es in der Industrie nur wenige Methoden, um die Qualität von Hülsenfrüchten zu bestimmen. Die Qualität von glutenfreien Rohstoffen, wie z. B. Hülsenfrüchten, kann jedoch mit unseren Geräten im Labormaßstab beschrieben werden“, erklärt Markus Löns, Business Development Manager Food & Feed bei Brabender.
Mehlanalyse im Labormaßstab
Seit 1923 entwickelt, produziert und vertreibt Brabender Geräte und Anlagen zur Prüfung verschiedenster Materialeigenschaften. Bereits 1928 entwickelte das Unternehmen den ersten Farinograph, ein Gerät zur Prüfung von Weizenmehl und Weizenteig. Weitere Geräte zur Prüfung von Mehlen für die Mühlen- und Bäckereiindustrie folgten: „Modifizierte Mehle, Stärken und andere moderne Produkte der Getreide-, Stärke- und Backwarenindustrie sind seit jeher der Kern- und Zielmarkt der Firma Brabender. Dazu gehören auch glutenfreie Mehle und damit auch Mehle aus Hülsenfrüchten“, so Löns.
Das Duisburger Unternehmen bietet Laborextruder an, die sich für die Produktentwicklung von Fleischersatzprodukten, Snacks und Nudeln oder anderen Produkten aus Hülsenfruchtmehl eignen, um nur einen Rohstoff als Beispiel zu nennen. Anschließend kann mit dem ViscoQuick-Viskosimeter, das bisher vor allem in der Mühlen-, Bäckerei- und Stärkeindustrie eingesetzt wird, der Grad der Stärkeverkleisterung und der Retrogradation bestimmt werden. Diese Methode der Stärkeverkleisterung ist vor allem in der Produktentwicklung, aber auch in der Prozesskontrolle von Nutzen.
Einfluss der Mehleigenschaften auf das Endprodukt
Gemeinsam mit Müller’s Mühle hat Brabender die Wasseraufnahme- und Verkleisterungseigenschaften von Hülsenfruchtmehl mit dem Farinograph und dem ViscoQuick analysiert. Darüber hinaus bestimmten die beiden Unternehmen die Ölabsorption von z. B. Linsenmehl – eine zeitsparende Methode zur Qualitätsbestimmung von Hülsenfrüchten wie Linsen, Erbsen, Ackerbohnen und Kichererbsen.
Um bei der Herstellung von Fleischersatzprodukten aus Hülsenfruchtmehl die richtige Ölmenge während des Extrusionsprozesses zuzusetzen, muss die Ölabsorption des Mehls bestimmt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass das Endprodukt saftig genug ist.
Um die Ölabsorption von Hülsenfruchtmehl zu bestimmen, wurde das Mehl in einen Messkneter gefüllt und das Drehmoment während des Knetvorgangs gemessen. Gleichzeitig fügte eine automatische Präzisionsdosierpumpe kontinuierlich das Öl hinzu. Innerhalb von drei Minuten konnte die Ölabsorption des Mehls mit geringem Bedienereinfluss und in wenigen Schritten bestimmt werden.
Manuelle Methode erfordert mehr Zeit
Die klassische Bestimmung der Ölaufnahme von Mehl mit der Pipettiermethode benötigt deutlich mehr Arbeitsschritte und dauert mehr als eine Stunde. In Zukunft soll die Methode weiter optimiert und auch mit weiteren Hülsenfruchtarten getestet werden. Im Rahmen der Entwicklung dieser Messmethode startete Brabender ein gemeinsames Projekt mit der Universität Mailand: „Wir haben verschiedene Arten von Hülsenfruchtmehl extrudiert, um Fleischanaloga herzustellen, darunter auch Ackerbohnen, die aber als alleinige Zutat für Fleischersatzprodukte eher breiig schmecken. Geschmacklich empfehlenswert ist zum Beispiel Ackerbohne gemischt mit gelben Erbsen“, verrät Jessica Wiertz, Manager Applications bei Brabender. Neben Fleischersatzprodukten können auch andere Produkte durch die Extrusion von Hülsenfrüchten entwickelt werden. Dazu gehören glutenfreie Nudeln aus Linsen und expandierte Linsensnacks.
Im Vergleich zu anderen Geräten im Lebens- und Futtermittelbereich kann der ViscoQuick Stärke und stärkehaltige Produkte nach dem Erhitzen und Verkleistern der Probe auf bis zu 10 Grad abkühlen. Niedrigere Temperaturen waren in der Vergangenheit technisch nicht oder nur mit großem Aufwand realisierbar: „Geräte mit ähnlichen Eigenschaften können nur eine Abkühlung von bis zu 50 Grad erreichen. Der Vorteil für die Industrie ist nun, dass mit dem neuen ViscoQuick Produkte auf die Temperatur heruntergekühlt werden können, bei der sie verbraucht oder weiterverarbeitet werden“, betont Markus Löns.
Das bedeutet, dass eine Messung möglich ist, die näher an den realen Bedingungen liegt und mit der individuelle Heiz- und Kühlprofile eingesetzt werden können: „Auch unterschiedliche Geschwindigkeitsprofile sind möglich, sodass letztlich nicht nur normale Qualitätsprofile bei einer bestimmten Temperatur oder Geschwindigkeit gefahren werden können, sondern man kann sogar reale Prozesse simulieren“, erklärt Jessica Wiertz.
Reduzierte Messzeit mit dem ViscoQuick
Das Viskosimeter misst das Drehmoment in pastösen Massen: „Mithilfe dieser Lösung können wir das Gelierverhalten von Hülsenfrüchten als Basis für Fleischersatz, Desserts, Saucen oder Süßwaren bestimmen und optimieren“, fasst Wiertz zusammen. Neben der Drehmomentmessung bietet Brabender auch spezielle Becher und Paddel an, um auf Wunsch auch die Viskosität in mPas oder cP zu bestimmen.
Im Gegensatz zu anderen Geräten, die etwa 120 Minuten für eine Messung benötigen, kann die Messzeit mit dem ViscoQuick nun auf 10 bis 15 Minuten reduziert und bei Bedarf sogar auf niedrigere Temperaturen als 10 Grad eingestellt werden. Der Grund dafür ist die optimierte Temperaturregelung. Diese erfolgt nicht mehr über das Wasserbad, sondern über ein Peltier-Element (kann auch als thermoelektrisches Modul oder TEC bezeichnet werden). Dabei handelt es sich um eine Art elektrisch betriebene Wärmepumpe, die Energie in Form von Wärme von einer Seite des Moduls auf die andere überträgt. Peltier-Elemente sind prinzipiell nicht neu, wurden aber bisher nicht in solchen Messgeräten eingesetzt. Hier kommt eine Brabender-Innovation ins Spiel, die die Messzeit erheblich verkürzt und eine exakte Messung der Probentemperatur ermöglicht.